15. Türchen im Netzwerkfrauen-Adventskalender

15. Dezember 2018 / Autor: Karin Winklhofer

In unserem Adventskalender finden sich (Lebens)geschichten von Frauen und Mädchen mit Behinderungen.
Unsere ehemalige Praktikantin, Helen Groß, hat diese Frauenportraits aus aller Welt (teilweise auch der fiktiven Welt) und den verschiedensten Jahrhunderten gesammelt und aufgeschrieben.

Hinter dem heutigen Türchen verbergen sich

 

Nerissa und Katherine Bowes-Lyon

 

Royal Earlswood Hospital 1854. Gezeichnetes Bild, ähnlich einer Postkarte mit der Unterzeile: "The new asylum for idiots, at Earlswood common, Redhill, Surrey."

Royal Earlswood Hospital 1854; By Edmund Evans – Illustrated London News, March 11, 1854; pg. 213; Issue 672, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17347452

 

 

Nerissa und Katherine sind beide Cousinen von Queen Elisabeth II. Jedoch wurde ihre Existenz bis nach ihrem Tod verschwiegen. Beide waren Frauen mit Lernschwierigkeiten.

 

Katherine wurde im selben Jahr wie die Queen geboren, 1926. Nerissa kam 1919 zur Welt. Beide lebten bis 1941 zu Hause und wurden von Pflegepersonal im Schloss versorgt. Schon bald war klar, dass sie in ihrer kognitiven Entwicklung nicht über die eines sechsjährigen Kindes hinauskommen würden. Unsicher war auch, ob sie jemals sprechen lernen würden. Im Jahr 1941, mit damals 15 und 22 Jahren, kamen sie ins Royal-Earlswood-Asyl, eine Heilanstalt für Menschen mit geistiger Behinderung. Ein stetiger Heimwechsel folgte. Die untereinander innig verbundenen Geschwister wussten um ihre königliche Verwandtschaft und verfolgten alle Großereignisse vor dem Fernsehen.

 

Das Leben der Schwestern im toten Winkel der Aufmerksamkeit rund um die Royals ist eine traurige Geschichte. Doch ob die harsche Kritik an der königlichen Familie uneingeschränkt begründet ist, sollte man gründlich überdenken.

Der Dokumentarfilm „The Queen’s Hidden Cousins“, den Englands 4. Kanal 2011 zur Hauptsendezeit ausstrahlte, warf den Royals vor, dass Nerissa und Katherine nie Besuch empfingen, keine Weihnachtsgeschenke oder sonstige Freundlichkeiten bekamen. Darüber hinaus wurden sie noch zu Lebzeiten (im Jahr 1961) im Adelslexikon als verstorben geführt. Insgesamt wird vorgeworfen, dass alle fünf Mädchen mit Lernschwierigkeiten aus diesem Familienzweig (es gab außer den Cousinen der Queen weitere drei) am gleichen Tag 1941 in das Heim abgeschoben wurden.

 

Einen etwas anderen Blick auf die Ereignisse bietet der Artikel von Jackie Jackson. (http://jaquo.com/queens-cousins/)

So lebten die Mädchen allesamt viele Jahre zu Hause bei den Eltern. Doch es war absehbar, dass diese selbst irgendwann alt und mit der Betreuung überfordert sein würden. Der Vater von Nerissa und Katherine war bereits 1930 verstorben. Dazu kam der zweite Weltkrieg, in dessen Folge die Männer und auch Frauen des Hauspersonals zum Wehrdienst gerufen wurden. Als Katherine, Nerissa und ihre drei Cousinen (Idonea, Rosemary und Etheldreda) ins Royal-Earlswood-Asyl (damals eine private Anstalt, die der Großvater Charles bezahlte) gebracht wurden, fielen bereits deutsche Bomben auf London. Damit ist der Zeitpunkt der Unterbringung ein Stück weit verständlich.
Außerdem sollen die Mädchen durchaus Besuch bekommen haben, wie die Tochter ihrer Schwester Anne berichtet haben soll. Anne (später eine Prinzessin Anne von Dänemark) soll sie regelmäßig besucht und ihnen Geschenke mitgebracht haben.
Der Grund für den Falscheintrag des Todesdatums soll in einer Fehlinformation durch die Mutter der beiden Schwestern liegen.

 

Katherine, die jüngere der beiden, entschlief am 23. Februar 2014 im Alter von 87 Jahren im Pflegeheim.
Ihre Schwester Nerissa starb bereits 1986. Auf ihrem Grab wurde erst nach bekannt werden ihrer Geschichte ein Grabstein mit vollständigem Namen aufgestellt.

 

Kommentar schreiben

Kategorien

Neueste Beiträge