05.05.2020 Corona-Tagebuch: Susie

5. Mai 2020 / Autor: Karin Winklhofer

Für alle Menschen hat sich der Alltag seit März drastisch verändert. So auch für unsere ehrenamtlichen Sprecherinnen und für uns Mitarbeiterinnen des Büros der Netzwerkfrauen-Bayern.
Nichts scheint mehr einfach zu gehen. Raus an die frische Luft, Einkaufen, Freunde treffen – alles ist plötzlich kompliziert oder sogar verboten. Ganz besonders wenn man eine Behinderung hat und daher das Leben auch unter Normalbedingungen schon ein ganzes Stück schwieriger ist.

In diesem neuen Alltag erlebt jede von uns, aus ihrer eigenen Warte, viel Neues – positv wie negativ.

In unserer Rubrik „Corona-Tagebuch“ schreiben unsere Sprecherinnen, aber auch wir Büro-Mitarbeiterinnen über unsere Erlebnisse in der Corona-Zeit.

 

Susie Kempas Corona-Tagebuch (Teil 1)

 

Susies Samstag 18.04.20 – der wievielte Tag seit dem 21. März, in Bayern, in München, an dem alles etwas anders ist?

Was war heute anders?
Ich schlafe nicht aus und mein Arzt war da!
Meine „Lymphdrainage“ kam morgens vorbei. – Ja, samstags! – Ich rief sie gestern, am Freitag, an und jammerte, dass meine Wassereinlagerungen in meinen Fingern so schlimm sind, dass ich sie fast gar nicht mehr bewegen kann und zudem mein Puls hochgeht.
Es zählt als Notfall! – Wenn es nicht so traurig wäre, dann hätte es schon fast wieder etwas Schönes – samstags Therapie.
…Kurios oder? Wobei es schon seltsam ist, sich an Notfällen zu freuen.

Info–> Normalerweise habe ich 4 verschiedene Therapeuten / mit letztlich 6 Anwendungen pro Woche / alle Hausbesuch → Ich gehöre aber zur absoluten Risikogruppe im Höchstmaß, so dass ich nun seit längerer Zeit keine Anwendungen bekomme und bekommen werde. Außer, wie sagte man mir so schön, wenn ich kurz davor stehe den „Keks“ aufzugeben. Ausnahme: Stellenweise Lymphdrainage.
= > Keine Anwendungen, aber meinen Keks behalte ich! 🙂

Mein „münchenbekannter“ Arzt kam heute, statt morgen (Sonntag). Bevor ich fragen konnte erzählte er mir, dass er wieder am Sonntag Notdienst hat. Zu wenig Kollegen die durchhalten. Er sieht müde aus, aber abgesehen davon hat mich sein Anblick etwas erschreckt, da er dieses Mal nicht mit einer weißen, sondern mit einer schwarzen und sehr massiven Mundschutzmaske kam. Ich musste ein bisschen an den Film „Planet der Affen“ denken. Angst hat es mir nicht gemacht.

Info –> mein Arzt kommt alle 14 Tage sonntags vorbei.

Schöne Tage
susie.kempa@netzwerkfrauen-bayern.de

 

Susies Mittwoch 22. April 2020

Ich hatte vor 2 Tagen eine E-Mail an meinen Hilfsmittellieferanten geschrieben, natürlich unter anderem, weil ein Hilfsmittel kaputt gegangen war. Er rief mich am Nachmittag an und wir besprachen, was ich alles schreiben und einholen muss. Eine ganze Menge.

Was war anders?
Er rief mich noch einmal an und versuchte mich zu überreden, eben aufgrund der Corona-Krise, nicht einzeln zu versuchen etwas bei der Krankenkasse durchzusetzen, sondern doch gleichzeitig für seine anderen Kunden, und natürlich auch mich. Ich meinte dann, ob er sonst noch irgendwelche Wünsche hat!
Aber im Ernst, ich überlege es mir und bastele schon daran.

Schöne Tage
susie.kempa@netzwerkfrauen-bayern.de

 

Susies Donnerstag 23. April 2020

Medikamentenlieferung per Angelrute
Ich bekomme, wie immer, von der Apotheke meine Medikamente etc. geliefert. O. k., da ist nichts anders. Aber hier wollte ich mal schildern, dass der Medikamentendienst nicht – wie früher immer -, locker an die Tür kommt, kurz mit einem spricht und seine Unterschrift bekommt.
Heutzutage überreicht er, natürlich in Schutzkleidung mit maximaler Entfernung, nur die übliche Tüte und verschwindet. Meine Pflegerin muss sich natürlich auch aus der Tür lehnen. Möglichst wenig Kontakt!
Eigentlich wäre dazu eine Angelrute mehr als praktisch. Lustigerweise warte ich nur darauf das er irgendwann einmal Übergewicht nach vorne bekommt und umfällt. 🙂

Schöne Tage
susie.kempa@netzwerkfrauen-bayern.de

 

Susies Freitag 24. April 2020 – Vorab: INFORMATION SCHÜTZT VOR ANGST

Was ist anders? Meine Hoffnung auf Therapie.
Meine Logopädin hat mich angerufen, da sich die Richtlinien wieder etwas gelockert haben.
Ich werde am Montag versuchen meinen Arzt telefonisch zu erreichen, in der Hoffnung, dass ich wieder Logopädie etc. haben darf. Ich werde schildern, das sie sich ein Hemd überzieht (welches bei mir bleibt), Einmal-Handschuhe, eine Mundmaske und ein Gesichtsschutzschild tragen wird um mich zu behandeln. Ich bin gespannt wie sie dann aussieht!

Info–> ich bekomme aufgrund dessen, dass ich zu der „maximal gefährdeten Risikogruppe“ gehöre seit Wochen keine Krankengymnastik etc.

Ich war Zuhörerin einer interessanten Online-Diskussion v 15:00 bis 17:00 Uhr zur Frage
„Triage – wer wird behandelt, wer nicht?“
„Wer wird im Fall einer Überlastung der Krankenhäuser behandelt und wer nicht?“

„Wie Jens Spahn mitteilte, hält sich der Gesetzgeber bei diesem Thema raus. Antworten auf diese Frage geben allerdings die klinisch-ethischen Empfehlungen der ‚interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin‘.

Die Aufzeichnung des Webinars finden ihr in einigen Tagen unter:
https://gruene-europa.de/de/artikel/news/grueneeuropawebinare

(Anmerkung der Redaktion: Webinar ist bislang nicht online, jedoch die Mitschrift als pdf.)

Veranstaltungsteilnehmer und Thematik findet ihr unter anderem auf dieser Seite:
https://kobinet-nachrichten.org/2020/04/24/fortsetzung-der-online-diskussion-zur-triage/?fbclid=IwAR3OsxzERCSn4ZAMhrpM-7rs2nLNXhGlkLPCsXNd0Jcpg0rSjuHXd0AwgyQ

Hier nur einige Schlagworte die zur Debatte kamen:
Triage
Gebrechlichkeitsskala
Aufreihung von Komorbiditäten (ein Mensch kann bis zu 600 haben: Fand ich sehr interessant)
Mehr-Augenprinzip
Sofas-Score
Mittelbare und unmittelbare Erfolgsaussicht.
DIVI https://www.divi.de/ – Einer meiner „Lieblingsseiten“ 🙁

= > Es war schön eine Onlinedebatte mit zu bekommen. Ich wünschte es gäbe viel mehr davon, obwohl ich seit Wochen fast täglich mit Regelungen etc. konfrontiert werde. Auseinandersetzungen, die zum Drang nach Informationen führen. Mehr als man will. Zwanghaft? Zwangsläufig?

Bevor es in Bayern „so schlimm“ wurde, wie man so schön sagt, wurde ich – hart aber herzlich – darüber aufgeklärt, das mich, oder andere mit einer Schwerstkörperbehinderung, keinesfalls eine Klinik stationär, geschweige denn im Notfall aufnimmt oder auch nur ansieht. Außer, der gesundheitliche Zustand ist so dramatisch herab gesenkt, dass Gefahr besteht innerhalb kürzester Zeit zu sterben.

Hier steht Haftung, über stationäre Ansteckung durch „ Covid-19“ zu sterben, gegen den Versuch einer außerklinischen Behandlung ohne eine Verantwortung/Haltbarkeit für Covid-19.

Schöne Tage
susie.kempa@netzwerkfrauen-bayern.de

 

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