Gedanken zum Weltfrauentag am 8.3.2023

8. März 2023 / Autor: Dunja Robin

Wie in jedem Jahr ist der Weltfrauentag auch für uns Netzwerkfrauen ein ganz besonderer Tag im Kalender.
Einige unserer Gedanken uns unsere Forderung dazu wollen wir heute hier mit euch teilen.

Frauengesundheit als Indikator für Gleichberechtigung

 

Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist ein Grundrecht, das sich aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in der Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ergibt.
Der Staat hat damit die Pflicht ein tragfähiges Gesundheits- und Krankenversicherungssystems für die Bürger zu schaffen.

Das Gesundheitssystem gibt es, doch es ist auch 14 Jahre nach der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland noch immer nicht für alle barrierefrei nutzbar.
Nach wie vor stoßen beispielsweise Menschen mit Behinderung auf Barrieren:
nicht erreichbare oder nicht barrierefreie Arztpraxen,
ein zu geringes Zeitbudget in den Arztpraxen,
Schwierigkeiten bei der Verständigung und nicht barrierefreies Informations-Material.
Eine freie Arztwahl ist unter diesen Umständen praktisch nicht möglich.

Noch einmal deutlich schlechter gestellt sind hier Frauen mit Behinderung und chronischer Erkrankung.
Denn sie benötigen, im Vergleich zu Männern, früher und in einem größeren Umfang Vorsorgeuntersuchungen. Zugängliche Arztpraxen dafür sind oftmals weit entfernt und Frauen mit Behinderung verfügen nur selten über ein eigenes Auto.
Darüber hinaus sind Frauen mit Behinderung besonders oft von sexualisierter Gewalt betroffen oder haben ein stark erhöhtes Risiko Opfer von Gewalt zu werden.
Betroffene Frauen haben danach oft mit gesundheitlichen Folgen zu kämpfen, was einen barrierefreien Zugang zu medizinischen Hilfeleistungen besonders wichtig macht.
Dazu kommt, dass für Frauen mit Behinderung und chronischer Erkrankung die teilweise noch unerforschten Wechselwirkungen von Medikamenten mit hormonellen Verhütungsmitteln (zum Beispiel „Pille“) ein Problem darstellen.
Und dass der „Standardkörper“ in der Medizin noch immer der männliche Körper ist und auf die Bedürfnisse von Frauen oft weniger eingegangen wird und sie weniger ernst genommen werden.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, steht im Artikel 3 unseres Grundgesetzes geschrieben. Und: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Und doch sind Frauen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung nach wie vor massiv von einer Kombination von Benachteiligungen betroffen und es entsteht ein unheilvoller Domino-Effekt:

  • Menschen mit Behinderung haben deutlich schlechtere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt.
    Auch hier sind Frauen deutlich häufiger und stärker betroffen als Männer.
  • Keine Arbeit bedeutet Armut oder zumindest leben an der Grenze zur Armut.
    Hinzu kommen immer noch behinderungsbedingte Einschränkungen beim Ansparen von Einkommen und Vermögen.
  • Armut bedeutet einen schlechteren Zugang zu Gesundheit.
    Wer sich jede Zuzahlung zweimal überlegen muss oder nicht leisten kann hat schlechtere Chancen gesund zu werden oder zu bleiben.

 

Jeder Patient hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Bedürfnisse. Kaum ein Arzt würde dies bestreiten. Eigentlich sollte daher die medizinische Versorgung von Frauen mit Behinderung keine unvorstellbare Aufgabe darstellen.
In Zeiten von Fallpauschalen, Budgetierung und optimal gesteuerten Praxisabläufen wird es jedoch schwierig die Belange der Patientinnen noch zu berücksichtigen.
Auf der Strecke bleiben Menschen mit Behinderung – insbesondere Frauen mit Behinderung.

Ein positives Beispiel für die Umsetzung der UN-BRK ist die Gynäkologische Spezialambulanz für Frauen mit Mobilitätseinschränkung, die in München eingerichtet wurde.
Die Netzwerkfrauen-Bayern setzen sich seit ihrer Gründung für die Einrichtung gynäkologischen Ambulanzen für Frauen mit Behinderungen ein.
Im Jahr 2007 wurde eine erste gynäkologische Spezialambulanz eröffnet und bis 2019 gab es so zumindest eine Anlaufstelle für Frauen mit Behinderung in Dachau.
Nach ihrer Schließung griff die Stadt München (unter engagierter Beteiligung des Behindertenbeirats und des Facharbeitskreises Frauen, der Gleichstellungsstelle für Frauen und weiterer Aktiver) das Thema auf und es entstand dieses neue Angebot für Mobilitätseingeschränkte Frauen.

Dies ist ein erster, wichtiger Schritt, ein Leuchtturm-Projekt, dem weitere folgen müssen.
Denn auch Frauen mit anderen Behinderungen als jenen, die die Mobilität einschränken, brauchen auf diesem Gebiet eine gute Versorgung!
Und die medizinischen Bedarfe von Frauen mit Behinderung enden auch nicht bei der Gynäkologie
.

Eine angemessene medizinische Versorgung ist kein Luxus, sondern ein Grundrecht.

Daher lautet die Forderung der Netzwerkfrauen-Bayern:

Der Zugang zu medizinischer Versorgung für Frauen mit Behinderung und die UN-BRK (Artikel 25 UN BRK – Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit, ohne Diskriminierung und Barrieren und Artikel 12 UN Frauenrechtskonvention) müssen flächendeckend und zeitnah umgesetzt werden.

Letztendlich zeigt die Schlechterstellung von Frauen an dieser Stelle den Handlungsbedarf in Sachen Gleichberechtigung mehr als deutlich auf.

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