28.06.2019: Wochenrückblick des Netzwerkbüros

28. Juni 2019 / Autor: Dunja Robin

Themenübersicht: Stadtratskommission für Gleichstellung: Leben im Alter / Nachbesprechung des Protesttags und Gremienarbeit / Besorgter Blick auf ethische Werte

Unter der Rubrik „Wochenrückblick“ berichten wir jeden Freitag in aller Kürze von den wichtigsten Themen, mit denen sich die Mitarbeiterinnen des Netzwerkbüros beschäftigt haben.

Stadtratskommission für die Gleichstellung von Frauen: Leben im Alter

Am Donnerstag traf sich die Münchener Stadtratskommission für die Gleichstellung von Frauen zu ihrer 315. Sitzung.
Lieve Leirs und Dunja Robin bringen hier, als Entsandte des Behindertenbeirats München, die Interessen und Bedarfe von Frauen mit Behinderungen mit ein.

Schwerpunktthema der Sitzung war diesmal die „Umsetzung von Wohnideen von und für Frauen im Alter und zugehörige Unterstützungs- und Beratungsleistungen“.
Dazu gab es Vorträge von

Besonders interessant war hier, dass allen Beteiligten sehr schnell klar wurde, warum ein „Blick durch die Genderbrille“ beim Thema Wohnen im Alter so wichtig ist:
Denn Frauen haben nicht nur teils andere Neigungen und und Interessen, was etwa ihre Freizeitgestaltung angeht, sondern auch spezielle Bedarfe zum Beispiel medizinischer Natur (genannt sei hier etwa die gynäkologische Versorgung, aber auch die Tatsache, dass etwa zwei Drittel der hochgradig an Demenz erkrankten Menschen in den Einrichtungen Frauen sind).
Auch mit Traumata, sei es aus dem Krieg oder etwa durch sexualisierte Gewalt, die oft hohen Alter wieder zum Vorschein kommen, muss sensibel und professionell umgegangen werden.
Und Gewaltschutzkonzepte spielen auch beim Leben im Alter eine wichtige Rolle.
Hinzu kommt, dass Altersarmut durch geringe Rentenbezüge ebenso ein Thema ist, das vor allem Frauen trifft.

„Alter“ geht oft auch einher mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.
Zu den Beispielen zählen hier etwa Demenz, die Folgen von Schlaganfällen, das Nachlassen der Sinne, Diabetes und vieles mehr, darunter auch das, was wir eben als „Alterserscheinungen“ zusammenfassen.
Zudem erinnerten Lieve Leirs und Dunja Robin daran, dass wir gesellschaftlich nun den Punkt kommen, in denen die Vorreiter*innen der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und ihre Generation langsam ins Seniorenalter kommen.
Natürlich muss auch Leben im Alter barrierefrei und inklusiv möglich sein.

So fand am Donnerstagabend ein spannender Austausch statt, der sich im Spannungsfeld zwischen Wohnraummangel und sozialer Vereinsamung bewegte.

Rückblick auf den Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und weitere Gremienarbeit

Heute Nachmittag trifft sich das „Aktionsbündnis 5. Mai“, um den diesjährigen Protesttags für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen nachzubesprechen.
Einen Artikel über den Münchner Protesttag 2019 gibt es hier zu lesen.
Ummahan Gräsle wird bei dieser Nachbesprechung unser diese Woche gesammeltes Feedback einbringen und das Netzwerkbüro vertreten.

Als Nachtrag berichtet Ummahan Gräsle übrigens darüber, dass sie Ende April zum dritten Mal an einem runden Tisch gegen häusliche Gewalt teilgenommen hatte.
Dieses Mal bei der Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt in Fürstenfeldbruck.
Leider hatte sie wenig Zeit für ihren Vortrag, da ihre Vorrednerin mehr Zeit in Anspruch nehmen musste.
Allerdings konnte die Botschaft, eine Frauenbeauftragte aus einer WFBM an den runden Tisch zu bringen, erfolgreich vermittelt werden und es wurde mit Wohlwollen aufgenommen.

Am Dienstag war Dunja Robin außerdem als Patientenvertreterin an der 20. Sitzung des erweiterten Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Bayern in verkleinerter Besetzung teil.
Hier geht es um die Zulassung von Teams für die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV) in Bayern.
Die Patientenvertreter haben dabei beratende Funktion.

Ein besorgter Blick auf unsere ethischen Werte

Anlass zum Austausch war für Lieve Leirs und Dunja Robin außerdem ein Artikel in der Südeutschen Zeitung.
Hier wurde berichtet, dass in England eine werdende Mutter gerichtlich zu einer Abtreibung gezwungen werden sollte, da man ihr eigenes Wohl aufgrund ihrer Behinderung einhergeehend mit ihrer ethnisch-kulturellen Abstammung gefährdet sah, sollte sie das Kind austragen.
Wichtig dabei ist, dass es laut Aussage der Rechtsvertreterin der werdenden Mutter weniger um die Sorge einer möglichen Kindeswohlgefärhrung gegangen sei, sondern eben um das „Wohl der Mutter“. Aus medizinischer Sicht, so scheint es für uns, gab es keinerlei Grundlage für eine Abtreibung.
Die werdende Großmutter hatte zudem Unterstützung zugesichert, sie würde das Kind großziehen, und sie ging dafür sogar mit einem Widerspruch gegen die richterliche Entscheidung vor.

Nun sind uns über diesen Fall zu wenige Details bekannt, um fundierte Aussagen treffen oder gar ein moralisches Urteil fällen zu können.
Er erscheint jedoch auf jeden Fall bemerkenswert.
Wir denken, dass wir damit einen weiteren Grund haben, aufzuhorchen und „alarmiert zu sein“.

Denn wir befinden uns in Zeiten, in denen ein deutscher Polikiter ermordet wurde – wohl dafür, weil eine Aussage von ihm und seine politischen Ansichten nicht gefielen.
Wir leben in einer Zeit, in der das Ertrinken von Menschen im Mittelmeer von vielen gebilligt, von manchen gar gutgeheißen wird.
In der in Amerika Flüchtlingskindern das Recht Hygieneartikel und einen angemessenen Schlafplatz abgesprochen wird.
In der allgemein Extremismus und damit einhergehendes Gedankengut zunehmen.
In der man immer wieder hört, dass man „zunächst auf die eigenen Leute achten“ müsse und gleichzeitig den Schwächsten in der Gesellschaft  entweder die Schuld an ihrem eigenen Leid zugesprochen wird oder man sie als „unzumutbare Belastung für ein eh schon überstrapaziertes Sozialsystem“ ansieht.

Kurzum, es scheint, als wären in unserem Kulturkreis Menschenrechte, darunter das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung sowie die Würde des Menschen plötzlich in noch höherem Ausmaß gefährdet als in vergangenen Jahren.

Wir möchten daher an dieser Stelle dazu aufrufen, sich auf unsere Werte, darunter ganz klar die Menschenrechte, zu besinnen.
Wir rufen auf innezuhalten, nachzudenken, genau hinzusehen und die in den vergangenen Jahrzehnten hart erkämpften Fortschritte in Sachen Menschenrechten couragiert zu verteidigen.

Damit wünschen wir ein gutes Wochenende.

 

 

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